Die Höhle verschluckte ihn. Eben noch war er von Stimmen umgeben, vom warmen Licht der Gruppe. Jetzt war es still. Manuel blinzelte, doch die Dunkelheit blieb undurchdringlich. Kein Geräusch. Keine Bewegung.
Er drehte sich um. Ganz hinten in der riesigen Halle der Tropfsteinhöhle flackerte noch ein letzter Lichtschimmer – dann war er verschwunden. Die schwachen, weit entfernten Gespräche der Gruppe verebbten ebenfalls. Und mit einem Mal war alles fort.
Feuchte Kälte legte sich auf seine Haut. Die Luft schmeckte modrig. Manuel sog sie ein, langsam, kontrolliert. Panik würde ihn nicht weiterbringen.
Dann – eine Stimme. Zuerst kaum wahrnehmbar, dann drängender. Ein Junge. Kein Erwachsener. Ein Hilferuf, der sich in der Höhle brach und in hundert Echos zurückkam. Manuel hielt den Atem an. Das Weinen folgte, ein leises Schluchzen, das sich nicht so stark im Raum verlor.
„Bleib ganz ruhig,“ sagte Manuel fest. „Ich komme zu dir.“
Das Weinen verstummte abrupt.
Er tastete sich vorwärts. Jeder Schritt musste bedacht sein. Vor ihm sollte ein Stalagmit sein – geformt wie ein schlafender Löwe. Langsam streckte er die Hände aus. Kalter, feuchter Stein unter seinen Fingern. Er war richtig.
Doch wo weiter? Auf einer Seite fiel der Boden tief ab. Dort unten lag ein unterirdischer See. Manuel lauschte. Tropfen klatschten auf Stein, regelmäßig, monoton. Und dann – ein leises Plätschern aus der Tiefe.
Er bewegte sich vorsichtig am Rand des Stalagmiten entlang. Dann rutschte sein Fuß auf dem nassen Stein weg. Ein harter Schlag auf den Boden. Schmerz jagte durch seinen Knöchel. Unter ihm, irgendwo tief unten, klatschten Steine ins Wasser.
„Jetzt weiß ich wenigstens, wo der Abgrund ist,“ murmelte er, zog sich mühsam hoch. Sein Fuß brannte. Beim Auftreten schoss ein stechender Schmerz durch ihn.
„Bleib ganz ruhig. Es ist nichts passiert,“ rief er dem Jungen zu. „Ich komme zu dir.“
Die Stimme antwortete leise. Zögernd. Aber dann erzählte er. Luis. Zehn Jahre alt. Der Besuch in der Höhle war sein Geburtstagsgeschenk.
Manuel hörte genau hin. Jeder Ton, jedes Wort half ihm, den richtigen Weg zu finden. Schritt für Schritt vorwärts. Jetzt ein weites Feld, flach, offen.
Er kniete sich hin, legte die Hände auf den Boden, um jeden Millimeter zu fühlen. Die Dunkelheit war sein Gegner, aber seine Ruhe war seine Stärke.
„Ich schaffe das,“ dachte er.
Langsam, mit bedacht, machte er sich auf den Weg. Immer weiter. Immer dem Jungen entgegen.