Hier verschmelzen die beiden Themen Musik und Film beinahe untrennbar miteinander.
Vor vielen Jahren sah ich zufällig den Film Farinelli im Fernsehen – und war unmittelbar fasziniert von der Musik und der opulenten Inszenierung. Kein Wunder, spielt er doch zur Blütezeit des Barock. Das Leben des berühmten Kastratensängers Carlo Broschi, genannt Farinelli, wird eindrucksvoll erzählt – wenn auch mit künstlerischer Freiheit.
Im Mittelpunkt steht die enge, aber konfliktreiche Beziehung zwischen Farinelli und seinem Bruder Riccardo, einem ehrgeizigen, doch weniger talentierten Komponisten. Riccardo liess Carlo als Kind kastrieren, um dessen aussergewöhnliche Stimme zu bewahren – eine Wahrheit, die Farinelli erst spät erfährt. Gemeinsam reisen sie durch Europa, feiern musikalische Triumphe und teilen sogar ihre Geliebten.
Zentrales Thema ist Farinellis innerer Zwiespalt zwischen familiärer Loyalität und dem Streben nach künstlerischer Selbstverwirklichung – insbesondere im Hinblick auf seine Bewunderung für Georg Friedrich Händel, der Riccardos Musik verachtet und Farinelli als Marionette betrachtet. Die Arie „Lascia ch’io pianga“ wird dabei zum emotionalen Höhepunkt: Farinelli reflektiert seine Vergangenheit und löst sich innerlich von seinem Bruder.
Als ich diese Arie hörte, liess mich die Musik nicht mehr los. „Lascia ch’io pianga“ aus Händels Oper Rinaldo ist ein zutiefst ergreifender Ausdruck von Schmerz, Sehnsucht und dem Wunsch nach Freiheit. Gesungen wird sie von der Figur Almirena, die gefangen genommen wurde. Ihr Flehen, ihr Leid beweinen zu dürfen, ist mehr als persönliche Klage – es ist ein stilles Bitten um Mitleid und Erlösung.
Angeregt davon griff ich zu meiner CD-Sammlung – damals noch das Symbol für hochwertige Musikwiedergabe – und suchte nach Werken von Georg Friedrich Händel. Die Oper Rinaldo war nicht darunter. Doch wer war dieser Komponist eigentlich?
Georg Friedrich Händel (1685–1759) zählt zu den bedeutendsten Komponisten des Barock – ein wahrer musikalischer Kosmopolit. In Halle an der Saale geboren, wirkte er in Deutschland, Italien und schliesslich in England, wo er den Grossteil seines Lebens verbrachte und sogar britischer Staatsbürger wurde.
Händel war ein Meister der Oper und des Oratoriums. Werke wie Rinaldo, Giulio Cesare oder das weltberühmte Messiah mit dem „Halleluja“-Chor (dieses Werk haben wir dieses Jahr in der Osterzeit im Teatro de Maestranza in einer eindrücklichen Aufführung gesehen) sind bis heute fester Bestandteil des Konzertrepertoires. Er komponierte über 40 Opern, 25 Oratorien sowie zahlreiche Kantaten, Instrumentalwerke und Kirchenmusik.
Was ihn besonders auszeichnete, war seine Fähigkeit, italienische Melodik, deutsche Kontrapunktik und englische Chorkultur zu einem eigenen, kraftvollen Stil zu verschmelzen. Trotz gesundheitlicher Rückschläge – er erblindete in seinen letzten Lebensjahren – komponierte er bis zum Schluss. Seine Grabstätte in der Westminster Abbey unterstreicht seine herausragende Bedeutung im Vereinigten Königreich.
Kastratensänger wie Farinelli waren in der Barockzeit gefeierte Stars. Heute existieren sie nicht mehr – ihre Rollen werden meist von Countertenören (Männern mit spezieller Gesangstechnik im Falsett) oder auch von Frauen (Mezzosoprane oder Alts) übernommen. Manche Inszenierungen wählen bewusst neue Klangfarben, um moderne Interpretationen zu schaffen.
Was für eine Kunst! Und welch eine Musik, die auch über 200 Jahre nach ihrer Entstehung Menschen berührt und in andere Welten entführt. Was wohl von unserer Zeit bleiben wird – und in zwei Jahrhunderten noch Bedeutung hat?
Ich habe Dir hier eine moderne Aufnahme dieser Arie mit einem Countertenor herausgesucht: Philippe Jaroussky – Lascia ch’io pianga
Und den passenden Filmausschnitt aus Farinelli kannst Du gleich hier unten geniessen:





