Einmal Hand aufs Herz – wer kennt ein Musikstück mit dem Titel Gymnopédie No.1? Ich jedenfalls nicht, obwohl ich es schon so viele Male gehört hatte – und es mich immer wieder fasziniert hat mit seiner tiefen Melancholie, der Malerei mit Tönen, dem Wegtragen in eine andere Sphäre.
So machte ich mich auf die Suche nach dem Stück, einer reinen Klavierkomposition. Und ich wurde fündig: Gymnopédie No.1 ist eine Komposition von Erik Satie. Doch wer war dieser Mann?
Erik Satie (1866–1925) war ein französischer Komponist, der sich zeitlebens den musikalischen Konventionen verweigerte – und damit seiner Zeit weit voraus war. Er sah sich selbst nicht als Musiker, sondern als phonometrograph – „einer, der Klänge misst“. Schon diese selbstgewählte Berufsbezeichnung verrät seinen Hang zum Absurden und seinen trockenen Humor.
Seine Musik? Minimalistisch, eigenartig, oft meditativ. Die berühmten Gymnopédies scheinen in der Luft zu schweben, fern von dramatischer Virtuosität und akademischer Strenge. Während die Musikwelt der Romantik pompöse Werke zelebrierte, komponierte Satie Stücke mit Titeln wie Drei Stücke in Form einer Birne oder Bürokratische Sonatine – ein augenzwinkernder Protest gegen das Establishment.
Auch im Alltag war Satie ebenso bizarr wie seine Musik: Er lebte allein in einem winzigen Zimmer, trug stets einen Samtanzug (oft zusammen mit einer Melone) und schrieb absurde Notizen in seine Partituren wie „hier bitte das Maul halten“ oder „wie ein Keks, aber nicht zu trocken“. Er gründete sogar seine eigene Religion: die Église Métropolitaine d’Art de Jésus Conducteur, deren einziges Mitglied er war.
Anerkennung erhielt Satie meist spät – während seiner Lebzeiten wurde er belächelt, ignoriert oder schlicht nicht verstanden. Doch seine Kompositionen und Ideen beeinflussten Größen wie Debussy, Ravel und später John Cage. Er war ein früher Vorreiter der Konzeptkunst, ein musikalischer Dadaist, bevor es den Dadaismus überhaupt gab. Womit wir eigentlich beim Cabaret Voltaire in der Zürcher Altstadt angelangt wären.
Satie war ein Einzelgänger mit einem feinen Gespür für Ironie, ein Künstler, der die Stille genauso wichtig nahm wie den Klang. Und obwohl er nie ganz ins Rampenlicht rückte, leuchtet sein Einfluss bis heute durch die Musikgeschichte.
Vielleicht würde es unserer heutigen Zeit, die so viel Konformität verlangt, guttun, wenn es wieder mehr solcher schrägen Charaktere gäbe – Menschen, die durch ihre Art zu denken und zu leben einen Kontrapunkt setzen, uns zum Nachdenken bringen und uns den Spiegel vorhalten.
Wer jetzt Lust hat herauszufinden, was sich hinter dem sperrigen Titel Gymnopédie No.1 verbirgt – nur zu. Es lohnt sich!





