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“Narziss und Goldmund” von Hermann Hesse

Die Geschichte von zwei Freunden, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Goldmund lebt im Kloster und bereitet sich auf ein Leben mit Gott vor. Der andere, Narziss, tritt zuerst in die Klosterschule ein, ist der Schüler später dann der Freund von Goldmund und versucht den Sinn seines Lebens zu finden. Doch Narziss muss hinaus in die Welt, muss Schmerz, Trauer und Freude erleben und bleibt doch ständig auf der Suche. Goldmund bleibt in den Mauern des Klosters, lebt und arbeitet dort in Abgeschiedenheit und Askese und hat trotzdem den Frieden und den ganzen Reichtum des Lebens bereits in sich. Immer wieder kreuzen sich die Wege der zwei Freunde, Narziss erzählt von seinem ruhelosen ‚Herumtreiberleben‘, sucht nach Antworten und Vergebung bei seinem Freund. Er bekommt beides nicht, denn das Leben hält jedem seine eigenen Aufgaben bereit, jeder muss seine eigenen Antworten finden und darf nicht verzweifeln. Vergebung braucht es nicht, solange das Leben geprägt ist durch Aufrichtigkeit, ehrliches Bemühen und Offenheit. Toleranz dem Mitmenschen, dem ‚Fremden‘ gegenüber sind eine Grundvoraussetzung, um sich selber zu finden und weiterzukommen. Den Sinn seines eigenen Lebens kann man nur in sich selber finden. Der Spiegel von einigen guten Menschen und Freunden, die einem nahe stehen, den sie dir vor Augen halten, kann ein Messgrad sein dafür, wie weit man es auf diesem, ureigenen Weg bereits gebracht hat. Jeder Mensch birgt in sich eine grosse Frage, die er zu beantworten sucht. Jeder Mensch ist auf der Suche. Einige mehr, einige weniger. Es ist etwas tief in uns drin, dass uns mit Sehnsucht erfüllt, sodass es schmerzt in der Brust, wenn es berührt wird. Vielleicht muss man es auch gar nicht wirklich finden. Aber auf der Suche danach zu bleiben und sich dabei mit sich und seinem Leben zu versöhnen, ist eine Aufgabe, die uns am Leben hält.

Als am Schluss der Erzählung Goldmund quasi in den Armen seines Freundes Narziss stirbt, so tut er das in völligem Frieden, ohne Furcht und ohne Vorbehalt. Für Narziss ist es kaum fassbar, was da geschieht und doch gibt ihm Goldmund noch im Sterben so viel mit in sein Leben, dass – auch wenn einem die Geschichte dort alleine lässt – er später denselben Weg, der dann aber zu seinem Leben passt, auch finden kann.

Bereits als ich das Buch im Alter von 20 Jahren zum ersten Mal las, fühlte mich immer zu beiden Figuren hingezogen – zur rastlosen Neugier Goldmunds ebenso wie zu Narziss’ Streben nach Erkenntnis und Sinn. Mein Leben nahm seinen Lauf, und ich kehrte immer wieder zu diesem Buch zurück und las darin. Ich unterstrich Passagen, schrieb Randnotizen, vertiefte mich erneut in die Handlung – und mit den Jahren erkannte ich, wie sich das Buch mit mir wandelte und wie seine philosophischen Fragen immer tiefere Resonanz in mir fanden.

Das Leben fordert uns heraus, es lässt uns zweifeln, wachsen und erkennen. Doch erst in der Fülle unserer Erfahrungen finden wir zu uns selbst. Eine Reise, die niemals endet – und gerade deshalb so kostbar ist.

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