Es gibt Stimmen, die nicht laut sein müssen, um uns zu treffen. Mascha Kalékos Stimme war eine solche – zart, ironisch, melancholisch. Geboren 1907 in Galizien, aufgewachsen im Berlin der Zwischenkriegszeit, war sie eine Dichterin der kleinen Leute, der großen Gefühle und der feinen Zwischentöne. Ihre Verse, oft in schnörkelloser Sprache, tragen die Melodie des Alltags und doch klingt in ihnen das ganze Jahrhundert mit.
Sie lebte zwischen den Welten: als Jüdin, als Frau, als Emigrantin. Berlin, New York, Jerusalem – keine dieser Städte wurde ihr je ganz zur Heimat. Und doch schrieb sie weiter, mit einem Herzen, das nie ganz ankam und gerade deshalb so viele erreichte. Ihre Gedichte sind wie Notizen auf dem Rand des Lebens – flüchtig, ehrlich, voller Sehnsucht.
Mich berührt ihr Werk tief. Besonders „Memento“, dieses stille, schmerzhafte Gedicht über den Verlust der Liebsten, hat sich mir eingebrannt. Es ist nicht laut, nicht dramatisch. Es ist einfach da, wie ein Schatten, der sich nicht vertreiben lässt. Kaléko schreibt: „Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang. Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.“ Und in diesem einen Satz liegt eine Wahrheit, die mich jedes Mal aufs Neue erschüttert.
Hier kannst Du es selber lesen:
Memento
Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang
und lass mich willig in das Dunkel treiben
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr
– und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der andren muss man leben!
Quellennachweis: Memento – Mascha Kaléko
Vielleicht ist es das, was ihre Lyrik so besonders macht: Sie spricht nicht von oben herab, sondern aus der Mitte des Lebens. Sie kennt das Weinen im Verborgenen, das Lächeln trotz allem, das Weitergehen mit einem Riss im Herzen. Und sie schenkt Trost, nicht, weil sie verspricht, dass alles gut wird, sondern weil sie zeigt, dass wir mit unserem Schmerz nicht allein sind.
Mascha Kaléko hat nie laut geschrien. Aber sie hat geschrieben. Gegen das Vergessen, gegen das Verstummen. Und ihre Worte hallen nach. In mir. In Dir. In vielen.
Schau Dir dieses vertonte Gedicht von ihr an und Du wirst verstehen, von was ich spreche:
 
				





