‘Zurück – endlich zurück’ dachte er und tauchte mit einem sanften Aufschlag in die spiegelglatte Oberfläche des Sees ein. Weiche Kreise zogen konzentrisch immer weiter auseinander, bis sie sich schliesslich träge im offenen Wasser verloren. Was hatte er in den vergangenen Wochen nicht alles gesehen auf seiner langen Reise quer durch die Kontinente dieser Welt. Unruhige Zeiten waren es und die Menschen, die zu ihm aufgeschaut hatten, waren hektisch und besorgt. Ihre Blicke waren unstet und flackernd. So war es auch nicht weiter erstaunlich, dass diese Unruhe auch ihn erfasst hatte. Doch dies war nun vorbei! Langsam glitt er an den stillen Ufern entlang. Es war Spätsommer geworden und die Stadt vor ihm badete im goldenen Licht einer bereits herbstlich gestimmten Sonne. ‘Bei meinem letzten Besuch’, ging es ihm durch den Sinn, ‘war es noch bitter kalt und der Schnee auf der sanften Hügelkette des Uetliberg glitzerte märchenhaft’. Schöne Erinnerungen. Zwei Enten schnatterten wild und stritten sich um ein Stück Brot. Die alte Frau mit dem zerknitterten Papiersack in den Händen, lächelte selig am Ufer. Daneben sass ein junges Pärchen Hand in Hand auf einer Bank und beobachtete die Szene wortlos. ‘Hier ist es ruhig; als wäre die Zeit stehen geblieben’. Schatten und Sonne wechselten sich rhythmisch ab, als er an den Segelschiffen im Hafenbecken vorbei schwamm. Das Plätschern der Myriaden von kleinen Wellen hallte echohaft von den Wänden der Brücke zurück und das Spiegeln der Lichtfetzen zeichnete ekstatisch zuckende Muster an die Decke. Er wurde schläfrig. Hier war der Friede, nach dem er sich so lange gesehnt hatte.
Plötzlich spürte er einen leichten Sog, der ihn langsam zu sich hin manövrierte. Zuerst nur zaghaft, dann mit immer mehr Kraft, lehnte er sich gegen diesen Sog auf. Stemmte sich dagegen. ‘Was ist das’ schrie es in seinen Gedanken, ‘ woher kommt das und wohin…’ Weiter kam er nicht mehr als ihn der gierige Schlund knapp unter der Wasseroberfläche verschlang. Dunkelheit. Reissendes Wasser. Doch da! Ein Lichtpunkt, wie geschaffen, um seine Hoffnung zu fokussieren, tauchte vor ihm auf. In rasender Geschwindigkeit wurde er wieder ausgespuckt, geblendet vom Licht, geschunden durch die ungebremste Fahrt. Der freie Fall machte ihn schwindelig und er spürte den Aufschlag kaum noch, der ihn in tausend glitzernde Spritzer zerplatzen liess, in denen sich das Licht vielfarbig brach.
Laut lachend strich sich der alte Mann in der viel zu grossen Badehose mit beiden Händen die grauen, nassen Haare aus der Stirn. Der kalte Wasserstrahl, der aus der improvisierten Dusche schoss, prasselte ein wildes Trommelfeuer auf seinen Hinterkopf. ‘Willkommen zum diesjährigen Zürcher Limmatschwimmen’ dröhnte eine krächzende Stimme aus dem Lautsprecher ‘am Start stehen die Schwimmer mit den Nummern 201 – 250!’ Zwei Sekunden später tauchte der rüstige Mann in das aufgewühlte Wasser des Flusses ein.